EIN-BLICK AUS DEM FENSTER

Kennen Sie das: Sie schauen aus dem Fenster und wundern sich, dass Ihre Aussicht bereits seit Wochen wie benebelt ist? Bei genauerem Hinsehen realisieren Sie, dass lediglich die Scheiben auf eine Reinigung warten, um den Blick wieder freizugeben.

 

Sie schreiten mit Tüchern etc. zur Tat, beseitigen zuerst die groben Schmutzspuren und gehen zur Feinarbeit über. Obwohl nun an der äußeren Scheibe weder Schlieren noch Fliegen- hinterlassenschaften zu finden sind, können Sie immer noch nicht klar sehen. Natürlich! Die innere Scheibe verlangt nach dem gleichen Prozedere.

So weit so klar!

Weg vom Fenster

Da ich gerne zugebe, dass andere das Fensterputzen besser beherrschen als ich, wechsle ich den Schauplatz zu Bereichen, die auch den Blick trüben können: Konflikte.

Sollte es Ihnen an Beispielen mangeln, hier ein paar Angebote: Sie werden in der Buchhandlung nicht so kompetent bedient, wie Sie sich das wünschen, in der Freundschaft kommt man Ihren Bedürfnissen nicht in der Art entgegen, wie Sie es sich erhoffen, in familiären Beziehungen bringen die einfach fallen gelassenen Socken die Stimmung zum Kochen.

 

Eine Fülle an Ungereimtheiten kann unseren Blick trüben oder gar unsere Aufmerksamkeit binden. Ganz nah vor der ergrauten Scheibe zu stehen, macht diese beinah zur einzigen Wirklichkeit; dieser gebundene Blick ermüdet. Auf einmal wirkt es, als gäbe es nur noch „ungeputzte Fenster“ – „alle“ Menschen sind inkompetent, „die ganze“ Welt hat sich gegen uns verschworen, „jede/r“ hat nur noch sich selbst im Sinn – wir selbst natürlich ausgenommen. Darüber hinaus kann der Eindruck entstehen, über keine adäquaten Mittel zu verfügen, um wieder für einen klaren Blick zu sorgen. Somit wären wir noch dazu diesem Geschehen hilflos ausgeliefert.

 

Ansichtssache

Es reicht wohl nicht, einen Konflikt nur von einer Seite zu betrachten – sich beispielsweise bei der Welt und dem Leben darüber zu beschweren, dass Fensterscheiben immer wieder schmutzig werden, dass es in Beziehung zwischen Menschen zu Auseinandersetzungen kommt. C´est la vie – So ist das Leben.

Wir könnten es mit einem Blick auf zwei Seiten des Ereignisses versuchen:

Die Außensicht kann bedeuten: Die Dinge sind, wie sie sind. Eine Situation war, wie sie war, ob angenehm oder nicht.

Die Innensicht kann bedeuten: Die Dinge, wie Sie sind. Sie fühlen jetzt, wie Sie eben fühlen. Dieses Fühlen, aus vielerlei Aspekten zusammengesetzt, stimmt. Das gilt im Übrigen auch für Ihr Gegenüber ...

Und schon geht es nicht mehr um die Frage, wer im Recht steht.

 

Wie erleichternd kann ein Schritt weg vom Fenster sein. Dieser Abstand erleichtert das Erkennen des Problems wie auch das Finden von Möglichkeiten, damit umzugehen. Er vermag uns wieder in Berührung mit den eigenen Gefühlen, tiefen Emotionen zu bringen – egal ob Ärger, Wut, Freude, Trauer, Frieden, Dankbarkeit … Im Wahrnehmen dessen werden wir empfindsam für unsere Bedürfnisse oder gar unserer innersten Sehnsucht.

Genau darum dürfen wir uns selbst anzunehmen! Das ist befreiender, als es von anderen einzufordern.

 

Diese Achtsamkeit mit uns selbst und anderen will geübt werden. Alles Versuchen bringt auch Irren und Scheitern mit sich. Es ist wenig hilfreich, uns nur einen einzigen Versuch dafür erlauben.

Wir müssen weder ein-sam noch ein-fältig in Perfektionismus verfallen, sondern dürfen acht-sam und viel-fältig das Leben in Fülle auskosten und beschreiten.

Beide Fenster-Seiten wahrzunehmen, gerne mit einer guten Portion Leichtigkeit, Gelassenheit und Vertrauen, gibt den Blick wieder frei – in die Weite!

 

Wirklich gute Aussichten auf einen lebendigen Weg!

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Kommentare: 3
  • #1

    Gerhard Fischill (Dienstag, 19 Juli 2016 15:40)

    ...ich beneide dich - wohlwollend - um deine Kunst der Textgestaltung - und ich gratuliere!

  • #2

    Martin Spreiter (Donnerstag, 04 August 2016 16:04)

    Ja, die liebe Achtsamkeit.
    Sie ist doch sehr gekoppelt mit dem bewussten Wahrnehmen. Von uns und von unserer Umwelt.
    Anfangen sollten wir bei uns selbst. Der Vergleich mit der Fensterscheibe gefällt mir sehr gut. Sind wir nicht zugekleistert von Lebenszielen, Aufgaben, Bedürfnissen, Emotionen ... die gar nicht wirklich zu uns gehören.
    Sich einmal einen Tag Zeit nehmen, und schauen was wirklich mich selbst ausmacht, was meine immer wiederkehrenden Traumas - Leiden sind, wohin sie mich versuchen zu lenken ... Und so aufbauend die eigene Lebensvision entdecken, und sie zur eigenen Mission machen, das klärt den Blick. So werden wir auch empfänglich für unsere Mitwelt. Wir kommen zurück zu unserer Urkraft, haben einen Kompass, der uns unsere Entscheidungen sicher treffen lässt. Und wir werden wieder ruhig.
    Es ist wunderbar die Dinge in ihrer Vielfalt zu betrachten, und Achtung ist einer der größten Werte. Leider sind wir oft viel zu achtlos. Weil ganz einfach unsere Scheiben verschmiert sind.
    Ich habe auf meiner HP eine einfache Kurzanleitung auch zum Thema Visionsfindung, und lade gerne ein, mal einen Blick darauf zu werfen.
    Gruß aus Bayrisch Schwaben,
    Martin

  • #3

    Karin Grössenbrunner (Donnerstag, 04 August 2016 20:12)

    Lieber Martin!
    "Unterscheidung der Geister" kommt mir in den Sinn, wenn ich die Gedanken des Kommentars lese.
    Nicht bei der ersten Wahrnehmung bleiben, sondern tiefer und tiefer sinken, um bei sich selbst anzukommen, mit sich selbst in Beziehung zu sein und somit auch wieder mit allen und allem, was uns umgibt.
    Eine ermutigende Vision - herzlichen Dank für die anregenden Gedanken!
    Karin G.