SPIEGLEIN, SPIEGLEIN

Ein armer Teufel so ein Spiegel, könnte man sich denken. Er kann nur zeigen, was sich ihm zeigt, das dafür recht unverblümt und in seiner ganzen Pracht. Jedem Blick, jeder Erscheinung hält er stand.

 

Und wir, die wir hineinsehen? Wie reagieren wir auf das, was wir sehen? Erfreut, entsetzt, erstaunt, hängt es von der Verfassung oder der Tageszeit ab?

Doch nicht nur in der versilberten Glasfläche können wir Entscheidendes erkennen. Kommen Ihnen bereits andere Spiegel-Bilder in den Sinn?

… an der Wand und anderwie

Ein paar Beispiele für einladende, berührende, inspirierende ‚Spiegel’ gefällig:

Unlängst betrat ich eine Kirche und finde in einer Ablage einen kleinen, quadratischen Spiegel. Der freundliche Hinweis darauf lud ein, damit das Kreuzrippengewölbe zu bestaunen – ganz entspannt, ohne steifen Nacken. Und schon konnte ich mit Blick nach unten sehen, was sich oben zeigt.

Arvo Pärt benannte eines seiner kostbaren Werke ‚Spiegel im Spiegel’. Es kann mich zu Tränen rühren – Tränen des Staunens, der Trauer, der Dankbarkeit. Wie ein Spiegel meiner Innenwelt.

Johann Wolfgang von Goethe beschreibt es mit Worten:

Wär nicht das Auge sonnenhaft,

die Sonne könnt es nie erblicken.

Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,

Wie könnt uns Göttliches entzücken?

 

Eine Fülle an manchmal unscheinbaren Möglichkeiten bietet sich uns an, um Großartiges zu entdecken – im Gegenüber, im Leben, in uns selbst. Jede Begegnung kann so Besonderes hervorbringen, Zeit mit Menschen, Pflanzen, Tieren, Kunstwerken, Musik, Stille, auch wir selbst für andere.

 

Wer ist …

Die ‚Schönsten im ganzen Land’ werden von einer Jury gewählt. Eine gekürte Schönheit, die nach vorgegebenen Maßen zu ihrem Platz kommt – bis zur nächsten Wahl.

Als Mensch haben wir bereits unseren Ort – das Hier und Jetzt. Genau das liegt auch zu unserer Gestaltung bereit, erneuert uns manchmal wie eine Kur, bringt neue Seiten in uns zum Schwingen, trifft auf wunde und heile Stellen.

Wenn uns das eigene Spiegelbild eher zu ‚Quasimodus’ küren würde, könnten wir davonlaufen wollen. Doch es ist immer nur ein Aspekt von uns. Im nächsten Moment, wie lange er auch dauert, kann er ein neues Bild von uns zeichnen.

In früheren Zeiten war vom ‚Beichtspiegel’ die Rede: eine Möglichkeit, sich selbst anzusehen, dem Ansehen zu schenken, wie es gerade ist, um sich mit den eigenen Fratzen ins Gebet und auch gleich in die Arme zu nehmen.

Weshalb? Weil wir nicht nur ‚Miss und Mister …’ sein müssen, sondern Mensch sein dürfen – vor einem Gegenüber, das sich in uns erkennt und uns liebt, weil wir sind.

Staunenswert, was sich dann im ganzen Land und Leben entdecken lässt.

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Kommentare: 2
  • #1

    Andreas (Sonntag, 11 Juni 2017 11:10)

    Ja, ein armer Teufel der Spiegel:
    Er gibt alles genau so wieder, was andere ihm vorgeben.
    Er macht es ganz exakt
    und doch ist es in ihm dann genau verkehrt ;-)

    Schöne Gedanken, schönes Bild.
    Merci,
    A.

  • #2

    Karin (Sonntag, 11 Juni 2017 16:54)

    Lieber Andreas!
    Ich freu mich über deine Zeilen. Danke!
    Gott sei Dank gibt es noch einen Spiegel: unser Herz.
    Dort ist es, wie es ist, einfach liebe-voll
    Karin